Freitag, 28. September 2018

Tiefkühlpizza



Damals auf dem Altsprachlichen war DrOll heftig verliebt in ein Mödchen aus gutem Hause. Konnte er sich natürlich gleich abschminken. Hat er aber nicht gleich gemacht.
 
Gestern hat er in einem Moment persönlicher Schwäche, die in letzter Zeit häufiger sind, als er es selber wahrhaben will, den Namen dieses Mödchens in seine Internetz-Suchmaschinenmaske getippt. Ein schwacher aber deutlicher Trost, dass aus dem Mödchen auch nichts Rechtes geworden ist. Ein schon etwas älterer Eintrag wies sie als Veranstalterin sogenannter „Poetry-Slams“ in einer süddeutschen Kreisstadt aus. Auf einem „Poetry-Slam“ war DrOll noch nie und kennt auch keinen, der zu sowas hinginge und wird auch niemals hingehen, weil er dafür die edle Dichtkunst und seine nicht minder edle Muttersprache viel zu lieb hat.

Jedenfalls präsentierten das Mödchen und ihre Mitstreiter sich im Netz auf so verkrampfte Weise als chic und hip und achweißgottwas, dass man der ganzen fürchterlichen Chose eigentlich nur ansah, wie wenig chic und hip und sonstsozeugs diese ganzen Frei- und Teilzeitdichter eigentlich sind. Diese Unmodigkeit war ja auch einer der Gründe, warum sich DrOll als JungDrOll zu diesem Mödchen hingezogen fühlte.
Ihre poetischen Ambitionen nimmt er ihr jetzt übel. Sie ist eigentlich schlau genug, um zu wissen, dass es eine unverzichtbare Voraussetzung dafür gibt, lesenswerte Literatur zu produzieren: Man muss dafür einiges an Unbill verkraftet haben und immer mal wieder rechtschaffen unglücklich sein. 
Instinktiv wissen das sogar so talentbefreite Schmieranten wie zB Durs Grünbein und werden deshalb nicht müde, ihre lückenlos auf der Sonnenseite des Lebens verbrachte Vergangenheit in eine Leidensgeschichte umzulügen.
Das Mödchen aus DrOlls Vergangenheit aber ist von Unbill unberührt. Sie ist so privilegiert und folglich so edel und erhaben, dass sie vermutlich all ihr Lebetag noch nie eine Tiefkühlpizza gegessen hat.

Was eine Tiefkühlpizza ist, weiß wohl ein jeder. Immerhin sind ja genug davon im Umlauf. 
Geht man davon aus, daß eine handelsübliche Tiefkühlpizza ungefähr 1/3 kg wiegt, ergibt sich durch die Aufrechnung der letztjährigen Produktionsmasse in Tonnen auf die gesamtdeutsche Bevölkerung ein durchschnittlicher Pro-Kopf-Verbrauch von pro Jahr einem knappen Dutzend Tiefkühlpizzen.

DrOll weiß, dass diese Statistik rechnerisch richtig, aber bedeutungstechnisch der pure Quatsch ist. Deutsche unter zwölf haben kein Geld und Deutsche über 60 kein Verdauungssystem für Tiefkühlpizza. Als Käufer und Esser kommen nur Leute zwischen 15 und 60, also pi mal Daumen nur die Hälfte aller Deutschen in Frage, was den durchschnittlichen Pro-Kopf-Verbrauch auf eine Pizza alle 14 Tage verdoppelt.

Als Aldi-, Real- und Rewekunde kennt DrOll allerdings das Kaufverhalten des typischen Tiefkühlpizzaessers recht gut, was ihn zu der Annahme bewegt, dass diese Tiefkühlpizzaesser entweder mit schöner Regelmäßigkeit ihren Halbjahresbedarf in einem einzigen Einkauf erledigen, oder dass eben der Durchschnittskonsum der Tiefkühlpizzaesser ungefähr das Sechsfache des errechneten Durchschnittswerts beträgt. 
Das hieße, dass der Durchschnittsdeutsche eben nur hin und wieder mal eine Tiefkühlpizza verzehrt, während es eine Subpopulation deutscher Tiefkühlpizzaesser gibt, deren regelmäßiger Konsum den Löwenanteil der Produktion aufbraucht. Diese Population würde, geht man wie gesagt von drei Tiefkühlpizzen pro Mann pro Woche aus, ungefähr ebenso groß sein wie die Anzahl der Deutschen, die ihren Lebensunterhalt von Transferleistungen bestreiten müssen. DrOll liebt es, wenn eine Rechnung aufgeht.

DrOll hat etwas gemeinsam mit dem Edelmödchen aus seiner Vergangenheit. Nicht nur die Schreiberey, sondern auch die Tatsache, dass sie beide keine Tiefkühlpizzen essen. Überhaupt keine. DrOll meidet Tiefkühlpizzen wie der Muselmann das Mettbrötchen. Ihm bedeutet der regelmäßige Konsum von Tiefkühlpizza einen sicheren Indikator für mangelnden Selbstrespekt. Die eigene Ernährung lässt man nicht zum Opfer des inneren Schweinehunds werden. Wer Tiefkühlpizza kauft, begibt sich auf denselben Weg wie der Trinker, der irgendwann von einem Gläschen zuviel in guter Gesellschaft oder einem großen Cognac erst nach dem Essen -irgendwann auch schon nach dem Brunch- dazu übergeht, den Durst mit Weizenkornbrand aus dem untersten Regal zu stillen, für dessen Verzehr nur spricht, dass er unerreicht billig ist und schön besoffen macht. Oder auch: Wer Tiefkühlpizza kauft, weil er zu faul ist, sich eine anständige Mahlzeit zuzubereiten, ist alsbald auch zu faul dazu, den Weg vom Bildschirm zur Toilette zurückzulegen und pisst tagsüber in leere Punicaflaschen, die neben dem Lümmelsessel stehen.
DrOlls Verzicht auf Tiefkühlpizza geschieht also aus demselben Grund, aus dem das Edelmödchen seinerzeit auf DrOll verzichtete: reiner, unverfälschter Dünkel.
Fühlt gut.